Alkoholsucht am Arbeitsplatz

4 Nov. 2021 | Alkohol am Arbeitsplatz

Alkoholkonsum und die damit verbundene Sucht spielt auch bei der Arbeit eine nicht zu unterschätzende Rolle. Egal, ob der Wein beim Geschäftsessen, der Sekt bei Vertragsabschluss oder das Bier auf der Baustelle. Alkohol hat längst seinen Weg in das Arbeitsleben gefunden und wird scheinbar von allen Seiten akzeptiert. Meistens erkennen die Entscheider die Wichtigkeit von Alkoholsucht-Prävention im Betrieb erst, wenn es zu Alkoholbedingten Ausfällen oder Unfällen kommt.  

Zahlen, Daten, Fakten

Auch, wenn die Ausmaße der Schäden und Belastungen in der Arbeitswelt nur schwer quantifizier- und messbar sind, zeigt die Sammlung von Daten eine Vielfältigkeit an Problemen, die nicht erst bei klinischer Alkoholsucht auftreten. 1

  • Etwa 5% der Arbeitnehmer sind alkoholabhängig; bei Führungskräften bis zu 10% 
  • Problematischer Konsum betrifft bis zu 10% aller Arbeitnehmer 

Problematisch Konsumierende:

  1. erbringen eine 25% geringere Arbeitsleistung 2
  2. fehlen 16-mal häufiger 
  3. nehmen 5 mal häufiger Krankenversicherungsleistungen in Anspruch
  4. erleiden 3,5 mal häufiger Arbeitsunfälle
  5. sind dreimal häufiger Arbeitsunfähig gemeldet (“Krankgeschrieben”)
  6. fehlen 2,5 mal häufiger acht und mehr Tage am Stück

Die Rolle des Gesamtkonsums und krankheitsbedingte Fehlzeiten 

Die Faktenlage zeigt, dass der gesamtgesellschaftliche Pro-Kopf-Konsum in direktem Zusammenhang mit krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeiten steht. 
Aus einer Langzeitstudie in Schweden geht hervor, dass ein steigender Pro-Kopf-Konsum von einem Liter Reinalkohol mit einem Anstieg der Fehlzeiten von 13% einhergeht. 3

Absentismus, Fehlzeiten und Präsentismus 

Absentismus bezeichnet die Abwesenheit vom Arbeitsplatz ohne Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit (bzw. Krankmeldungen). Das kann motivationale Ursachen haben, aber auch ein planmäßiges Fernbleiben bedeuten. 

  1. In einem Zeitraum von drei Jahren fehlten Alkoholabhängige durchschnittlich an 189 Tagen. Eine Kontrollgruppe fehlte an 95 Tagen im gleichen Zeitraum.
  2. 22,6% der Alkoholabhängigen werden vorzeitig pensioniert oder sind durch Entlassung aus dem Unternehmen ausgeschieden. 
  3. Nach einer Entwöhnungsbehandlung verbesserten sich die Fehlzeiten von Alkoholabhängigen um mehr als 50%.
  4. Die höchste Zahl der Alkoholabhängigen fand sich in der Altersgruppe der 40- bis 50-Jährigen. 4,5

Mit Präsentismus wird das Verhalten von Arbeitnehmern bezeichnet, die trotz Krankheit oder gesundheitlicher Einschränkungen (bspw. Alkoholeinfluss oder Nachwirkungen) bei der Arbeit erscheinen. Dies führt zu einer verminderten Arbeitsleistung:

  • Verminderte Leistungsfähigkeit 
  • Verminderte Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit
  • Fehler und Nicht-Einhaltung von Qualitätsstandards
  • Eine erhöhte Unfallgefahr 

Bei 20% bis 25% aller Arbeitsunfälle, die zu einer Verletzung führen sind Personen unter Alkoholeinfluss involviert. 6

Auswirkungen auf Dritte in Unternehmen 

Alkoholkonsum bei der Arbeit gefährdet nicht nur die konsumierende Person, sondern ebenso Dritte, die bei einem Arbeitsunfall verletzt werden könnten. Des Weiteren müssen die Ausfälle und Qualitätsverluste des Abhängigen durch bspw. Überstunden kompensiert werden.

Alkoholkonsum in der Berufsausbildung 

Unter Auszubildenden zeigt sich, dass die Zufriedenheit im ersten Lehrjahr unmittelbar mit dem Substanzkonsum korreliert. Gründe hierfür sind bspw. Über- oder Unterforderung, wenig Wertschätzung, soziale Isolation, Leistungsdruck, Mobbing, sowie ein Mangel an Regeln und Grenzen. 
Auch in der Berufsausbildung gelten Alkoholprobleme als häufigster Grund für Fehlzeiten, Leistungseinbußen und Arbeitsunfälle.
Schlechtere Leistungen in der Schule, häufige Konflikte bis hin zu Abmahnungen oder ein frühzeitiges Ausbildungsende treten ebenso auf. 

Arbeitsplatz und Arbeitsplatzbedingungen 

Ein Ungleichgewicht von Verausgabung und Belohnung steht mit riskantem Alkoholkonsum und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Alkoholabhängigkeit in Zusammenhang. Wenn Arbeitnehmer also das Gefühl haben, ihre Arbeit lohne sich nicht, weil sie bspw. für zu hohe Anforderungen zu wenig Einkommen, Anerkennung und Status erhalten, so ist die Gefahr höher ungesunde Verhaltensweisen zu entwickeln, um die Krise zu bewältigen. 

Durch Alkoholsucht entstandene Kosten 

Man unterscheidet hierbei zwischen direkten und indirekten Kosten. Wobei direkte Kosten primär im Gesundheitswesen (bspw. durch Behandlung oder Arzneimittel) entstehen und indirekte Kosten (Produktivitätsverluste) in der Wirtschaft anzusiedeln sind. Außerdem gibt es intangible Kosten, die nicht beziffert werden können, bspw. Abnahme der Lebensqualität, Schmerzen und Leid. 

Insgesamt entstehen in Deutschland jährlich alkoholbezogene Kosten von 39,3 Mrd. Euro.
Davon entfallen 9,15 Mrd. Euro auf die direkten Kosten, 30,15 Mrd. Euro auf indirekte kosten.

Der Nutzen von Präventionsprogrammen 

Erst einmal wird eine Investition notwendig, um das entsprechende Präventionsprogramm zu integrieren. In der Regel sinken die Kosten mit der Fortführung.
70% der befragten Unternehmen ziehen eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz, weitere 20% sehen eine ausgeglichene Bilanz.
Der Nutzen zeigt sich vor allem in geringeren Fehlzeiten, der Reduktion von Alkoholproblemen und einer Verbesserung des Arbeitsklimas. 
Eine Untersuchung der IVSS (Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit) errechnete 2011 einen “Return on Prevent” – Wert von 1 zu 2,2.
Das bedeutet eine Investition von einem Euro ergibt einen potenziellen ökonomischen Erfolg von 2,20 Euro. 7

Was Sie aktiv tun können, um vorbeugend zu handeln, lesen Sie im Artikel Betriebliche Suchtprävention.

1: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiHlaibjJXzAhU6hv0HHWUCC38QFnoECAQQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.dhs.de%2Ffileadmin%2Fuser_upload%2Fpdf%2FBroschueren%2FFS_Alkohol-am-Arbeitsplatz.pdf&usg=AOvVaw07pkyVmQHoE9uaETRpkLkx
2: Stanford Research Institute (1975) Occupational Alcoholism Programs in U.S. Companies
3: Norström (2006): Per capita alcohol consumption and sickness absence
4: Kleinsorge & Thiess (1979): Risikofaktor „Alkohol“ 
5: Petschler & Fuchs (2000): Betriebswirtschaftliche Kosten- und Nutzenaspekte innerbetrieblicher Alkoholprobleme
6: Adams & Effertz (2010): Volkswirtschaftliche Kosten des Alkohol- und Tabakkonsums
7: IVSS (2011): Prävention lohnt sich: Kosten und Nutzen von Präventionsmaßnahmen zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz für die Unternehmen

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